Montag, 28. Dezember 2009
Sophismus - früher und heute



Während Sokrates und seine Schüler das Erkenntnisstreben als Selbstzweck betrachteten und unter dem Aspekt
‘‘Philosophie sei die Liebe zur Weisheit‘‘
zelebrierten, boten die sogenannten Sophisten ihren Unterricht gegen Entgelt an.
Für manche Sophisten ging es dabei vor allem um die Kunst, in einer Debatte mit rhetorischen Mitteln und logischen Kunstgriffen einen Gegner zu besiegen.
Ihr Ziel war es, notfalls auch mit Tricks „die schwächere Seite von der Meinung der Stärkeren zu überzeugen ''.

Dabei stellt sich nun die Frage inwieweit "Sophismen" ethisch überhaupt vertretbar sind, gerade heute ?

Im Allgemeinen sind Sophismen verschmäht, nicht ganz zu Unrecht. Sie gelten gemeinhein als Manipulation vom Feinsten, ohne Rücksicht und mit dem Ziel, die Gegenseite mit Gewalt und Tricks von der eigenen Meinung zu überzeugen.

Sokrates und Platon kritisierten die Lehren und das Vorgehen der Sophisten scharf; ihre Kritik wurde von zahlreichen Wissenschaftlern und auch Politikern übernommen und fortgeführt.
Schon Aristoteles nannte die Sophisten „Lehrer der Scheinweisheit“.
Denken wir nur mal an Georg Bush und seinem Sophismus über die Notwendigkeit mit dem Irak Krieg zu führen !
Und im dritten Reich war es Göbbels, der diese sophistische Rhetorik exzellent beherrschte und die jetzigen Machthaber sind schon wieder ein Stück weiter. Dank multimedialer Werbepsychologen und Verfall der Sitten und wegen einer in geistigen Trägheit begründeten Leichtgläubigkeit ist fast alles erlaubt und alles machbar.

Sich diese Tatsache ins Bewusstsein zu führen ist bestimmt für viele ein Schock, der gern verdrängt wird, da es einfach zu stressig und auch zu unbequem ist im täglichen Allerlei.
Genau mit diesem Verdrängungsmechanismen arbeiten Sophisten erfolgreich.

Theodor Gomperz gab folgendes Urteil ab:
Platons Sophisten-Verhöhnung steht auf der gleichen Linie mit Schopenhauers Schmähung der 'Philosophenprofessoren' oder mit Auguste Comtes Ausfällen gegen die 'Akademiker'

Und ich frage mich: Wird da etwas falsch verstanden ?

Alles für mich nicht ganz schlüssig, denn man findet in den 38 Kunstgriffen der Eristischen Dialektik nach Schopenhauer“ selbst eine „erschreckende“ Anzahl von Kunstgriffen, die man in der Diskussion als sophistische Totschlag-Argumente verwenden und daher als solche bezeichnen kann !

Thomas von Aquin bezeichnet die Sophisten als
''qui apparent scientes et non sunt'' (die als
Wissende erscheinen und es nicht sind.)

Ich erkenne Doppelmoral, nicht nur in dieser Aussage, die den Sophisten doch pauschal und daher auf eine sehr unglaubwürdige Art und Weise Wissen abspricht !

Bei Immanuel Kant findet sich eine ähnliche reduktionistische Bewertung, der ich nicht zustimmen mag. Er schreibt:
Es gibt eine natürliche und unvermeidliche Dialektik der reinen Vernunft, nicht eine, in die sich etwa ein
Stümper durch Mangel an Kenntnissen selbst verwickelt, oder die irgend ein Sophist, um vernünftige Leute zu verwirren, künstlich ersonnen hat.

Die weit verbreitete negative Einschätzung der Sophisten, die sich auch auf ihre im alten Griechenland unübliche Tätigkeit gegen Bezahlung bezieht, ist ebenfalls nicht immer gerechtfertigt.
Dabei dürfte gerade Platons Kritik für die weitere Rezeptionsgeschichte des Sophismus prägend gewesen sein.
Wichtig ist allerdings festzuhalten, dass Platon selbst äußerst (!) konservative politische Ansichten hegte und
deshalb die Sophisten nicht zuletzt wegen ihrer häufig demokratischen Überzeugungen bekämpften;

Insofern ist es aus heutiger Sicht wichtig, die Tradition des Sophismus differenzierter zu beurteilen und nicht immer Stur an universelle Weisheiten der antiken und klassischen Denker zu glauben.

So universell und bis zum Ende gedacht sind sie nämlich nicht !

Für mich persönlich ist Sophismus jedenfalls immer dann ethisch
vertretbar und sogar notwendig, wenn hinter der sophistischen Argumentation eine edle Absicht steht, die der Allgemeinheit nachhaltig Nutzen bringt oder bringen könnte.

riesenZWERG

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