Freitag, 30. Januar 2009
Das Sein des Scheins.....
... oder :
-Stell Dir vor, wir hätten ne Krise und
keiner macht mit-

Wer sich diese Tage gegen die von dem aus
Banken und Weltkonzernen bestehende
Global-Player-Konsortium generierte Krise
stellt und mit völlig irrationalen
Gegebenheiten konfrontiert wird, der wundert
sich über garnix mehr.

Weltweit hat sich die Just-In-Time-Produktion
durchgesetzt. Diese Tage entlarvt
ausgerechnet sie die Krise als eine von
langer Hand vorbereitete Misere.

Wer nämlich diese Tage entgegen der anderen
Großkonzerne munter weiterproduziert, kann
bei einigen seiner Zulieferern enttäuscht
werden. Sie produzieren einfach nicht mehr
oder nur noch in stark reduzierten
Stückzahlen.
Und das obwohl Material in großer Stückzahl
angefordert wird und der so wichtige
notwendige Umsatz, der da ja angeblich wegen
Auftragsrückgang ausbleibt,reinkäme.

Die Materialbeschaffung wird für noch
produzierende Betriebe zu einer echten
Herausforderung. Auftragnehmer,Subunternehmer
und Zulieferer, die offensichtlich zum
Konsortium gehören, boykottieren jene
Konzerne, die derzeit einfach
weiterproduzieren.

Das Komplott funktioniert ebenso einfach wie
genial:

Wer kein Material mehr hat, der produziert
auch nicht mehr lange und zack, wird er sich
uns, unseren Argumenten und unsererer
Rezession, unserer Kurzarbeit anschließen
müssen.

Das Sein des Scheins muss gewahrt werden, die
Illusion muss Wirklichkeit werden. Die
Virtualität der Werte und Unwerte muss nicht
nur als Realität verkauft werden, sie muss
zur Realität werden.

Dafür tut das Konsortium alles.
Das muss es auch, sonst fiele die generierte
Krise und all seine Machenschaften auf.

Und Andreas Urs Sommer: Deine Formulierung
des ''Schein des Seins
'', mit den von Dir genannten
Real-,Irreal-, und Surrealwirtschaften ist
falsch. ( Kultur Spiegel 11/08)

Der Schein wird nämlich zum Sein.
Denn diese programmierte Krise, die als
Illusion von Turbokapitalisten begann,
schafft reale Opfer und die Börse ist dabei
alles andere als der Geburtshelfer der
Einsicht, dass alles immerzu dem Wandel
unterworfen ist und dass nichts wirklich,
aber alles möglich ist!

Und Dein angebotener Trost, dass wenn alles
Schein ist, auch die Krise nur Schein sei,
hilft all den real Geschädigten nicht und
wirkt wie intellektueller, weltfremder
Spott.



riesenZWERG

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Freitag, 28. November 2008
Der latente Absolutismus ...
.... der Postmoderne ist, zugegeben, schwer auszumachen.


Dabei hilft es, zurück zu blicken und sich den Verlauf alter Konflikte vor Augen zu führen, um diesen versteckten Radikalismus, der uns immer öfters im Alltag begegnet und der allmählich zur Gewohnheit wird, zu erkennen.

Es gab ja mal eine Zeit, da konnte man die Leute mit kritischen Fragen so richtig herausfordern. Sie nahmen noch Stellung, ja ich erinnere mich, sie legten Rechenschaft ab, über ihre Worte und manchmal sogar über ihre Taten.

Heutzutage gelingt das einem immer seltener. Wird einem nämlich immer öfters in Kontroversen einfach unterstellt, man hätte den Kontext oder dessen Intention nicht begriffen oder es wird behauptet, man hätte eine völlig irrelevante Frage gestellt , die angeblich nur vom Thema ablenke.

Das ''Lächerlichmachen'' erfreut sich dabei ebenfalls immer größerer Beliebheit.
Aber dieses Abgleiten in die Satire oder Albernheit ist nicht zu unterschätzen, denn hat dies doch zum Ziel, den Meinungsgegner bzw. den Kritiker mundtot zu machen.

Bei genauerer Betrachtung, so dürfte es selbst der Dümmste erkennen, ist dies radikal, ja, diktatorisch und das obwohl man für die Öffentlichkeit sogar die Opposition zulässt.

Aber was ist das für ein seltsames Demokratieverständnis, bei dem themenbezogene und konstruktive Kommentare als ''Dreck'' o. ''Wirres Zeug'' bezeichnet werden oder bei denen die Opposition gleich beim ersten unliebsamen Wort in die Schublade der Lächerlichkeit gesteckt wird, ohne auch nur im Ansatz auf die anderslautenden Worte eingegangen zu sein ?

Auch gilt heutzutage immer öfters:

,, Solange man sich versichern kann, das Schlechte als schlecht zu empfinden und zu wissen, was dagegen das Gute wäre, solange führt man das eigene schlechte Handeln nicht auf sich selbst zurück. Man kann es so mit gutem Gewissen ausführen, denn es ist „ja eigentlich“ nicht in einem selbst begründet. Es liegt ja an den Umständen, die einen zwingen.''

Und dabei gilt schon längst nicht mehr der Ausspruch ‘’ Der Zweck heiligt die Mittel ‘’, denn heutzutage will man sich nicht immer für seine Tat rechtfertigen. Derlei Sprüche will man nicht immer wiedergeben, nur um das eigene Handeln zu rechtfertigen. Also versucht man diese Art der Argumentation zu legitimieren. Ist diese radikale Legitimation erst zur Mode geworden, so ist alles legitim, außer die Meinungsfreiheit .

Und zu Recht graut es jedem Demokraten, wenn er sich die Taten vorstellt, die diesem totalitären Denken folgen werden !


riesenZWERG

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Donnerstag, 27. November 2008
Unser Städtchen
Ich schau zum Fenster raus, runter in die
mehr als spärlich besuchte Fußgängerzone mit
ihren langweiligen Schaufenstern.
Ein für diesen Anblick schon symptomatisches
Gähnen überkommt mich.

Oh mein Gott, dieses Kaff, dass sich
euphemistisch als Saarpfalz-Metropole bezeichnet.
Oberpeinlich, diese eklatante Verbrämung der
Wirklichkeit !
Ich bin eigentlich mitten in dessen Zentrum,
aber trotzdem sieht man hier eher Katzen sich
besteigen als etwa amüsierte Menschen beim Shopping.
Zu fade, zu seicht die hiesigen Läden.
Das Marketing und Outfit der Geschäfte ist
miserabel, das Angebot einschläfernd.
Es fehlt irgendwie die Frische, diese
gewissen Akzente mit denen man Massen
mobilisieren könnte! Dieses Flair zieht einen
runter, ganz nach unten. Bei nüchterner
Betrachtung der Situation kommen einem gar
leicht Depressionen hoch ; im Vergleich zu
echten Einkaufsmetropolen erst recht!

Ein typisch saarländisches Städtchen, das wie
die meisten anderen auch, seine Möglichkeiten
nicht nutzt !
Der Kleingeist und das kleinkarierte Denken
bremst die Entwicklung ! Unsere Stadtväter
sind alte Säcke nur, ohne Visonen ohne
Impulse. Alte graue Männer mit guten
Gehältern, die nur noch ihre Budgets
verwalten und die Gelder horten ! Keine Leute
hier unter den stadtischen Steuermännern, die
etwa Sinn, für Neues, für Belebung , etwas
für das junge Volk übrig, für die Zukunft
übrig hätten .
Ja, der reizlose, öde Charme des Städtchens
spiegelt nur die Mentalität der Menschen hier
wieder und nicht nur die der Verantwortlichen.
Die greuliche Bestätigung dafür erhält man
spätestens dann, wenn draußen Markt ist und
eine Horde grauhaariger, pseudo-erfahrener,
weil weltfremder Menschen in die
Fußgängerzone strömen, nicht etwa um ihre
Besorgungen zu machen, nein, primär um sich
diese immer wiederkehrenden,
spießbürgerlichen und belanglosen
''Ich-weiß-was-vom-Hören-Sagen-aber-das-ganz genau''-Gespräche abzuhalten.

Ein dilettantisches und gerüchtegespicktes
Quatschkonzert, das für zeitweilige Belebung in dieser Einöde sorgt.

Hört man zufällig, so im Vorbeigehen, bei
diesen Gesprächen zu (was erfahrungsgemäß
keinesfalls zu empfehlen ist), so stellen
sich einem angesichts der erschütternden
Oberflächlichkeit die Nackenhaare.

Naja, besser jedenfalls als der momentane,
furchtbar triste Anblick der nahezu
menschenleeren Einkaufszone.

Und ich merke schon, ich passe in diese Stadt.

Hurra, morgenfrüh ist wieder Markt.


riesenZWERG

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Dienstag, 25. November 2008
Internet - Sündenpfuhl und Superorganismus

Erotisches Fresko im öffentlichen Bad von Pompeji



Werte Freunde des Kynismus, ich muss es wirklich einmal sagen:
,,Ich liebe das Internet !''

Wohl weil es so gut zu meiner Neigung, kollektiv zu keulen, passt. Reichlich Raum wird dort meinem Kynismus und Sarkasmus geboten.

Gelangweilte und frustierte Frauen flüchten sich in Internetforen in melancholische Gedichtverse und Blogmarathons, üben sich in pseudo-eklektischem und esoterischem Gewäsch. Notgeile Männer checken rasterfahndungsmäßig die Weiberprofile. Arbeitsscheues Gesindel ist hier von morgens bis abends online. Viele bloggen und kommentieren sich in den Blogs den Frust von der Seele um so der unliebsamen Realität zu entfliehen.

Tiefgründigkeit ist in Internetforen jedoch meist ein Fremdwort. Schon ein halbmeter tiefer Griff ins trübe Fremdwortwasser und ein paar gute Formulierungen versetzt die meisten User schon in Erstaunen. Viele fühlen sich aber auch ins intellektuelle Abseits katapultiert, da sie meinen, mit den versierten Schreibern ohnehin nicht mithalten zu können.
Jedoch im Gegensatz zu verschiedenen Menschenansammlungen anderswo, die dies von sich behaupten, pulsieren die Internetforen tatsächlich. Viele Blogs füllen und leeren sich hin und wieder im Minutentakt. Meist bleibt die Athmosphäre dabei sogar entspannt, auch wenn dies mit einer gewissen Leidenschaftslosigkeit und fehlender textualer Kreativität zusammenhängt.
Sicher, auf jeder Plattform gibt es natürlich reichlich Psychopathen, die alles völlig anders empfinden und ständig darauf lauern ihrem Unmut über verschiedene User oder sonstwas einen Aufhänger zu geben. Wer darauf emotional anstatt sachlich und gelassen reagiert, findet sich ratzfatz in einer heftigen wechselseitigen Anfeindung wieder. Wer Dampf macht und wer nur das Ventil spielt, ist dabei schon nach kurzer Zeit nicht mehr auszumachen.
Es gibt wirklich nichts desillusionierenderes und frustrierenderes aber auch nichts belebenderes und regenerierenderes als diese von Idioten übersäten Plattformen. Herrlich nicht wahr !?! :-)

Ja, das Einzigste, was dort noch durchgängiger ist als die Idiotie, ist die Unzufriedenheit und die damit einhergende Ungelassenheit vieler Leute, die öfters für Kontroversen sorgt. Größer als die Anzahl der geistig Umnachteten ist nur die Vielzahl der gescheiterten Existenzen, die ihr kaputtes Reallife, diese graue abgedroschene Welt, gegen das virtuelle, bunte Secondlife eintauschten.

Und das Beste ist die mögliche Verknüpfung zweier diametral zueinander stehenden Menschentypen :

Den Idioten und den Denker !

Der Idiot hinter dem Web-Schaufenster stellt seine geistigen Dünschiss aus und der Denker kann ihn gefahrlos, steril und geruchsfrei von der anderen Seite aus beobachten ! Hat er genug davon gesehen, loggt er sich einfach aus oder wechselt das Forum !

Ja, das Internet inspiriert so den weltoffenen und kommunikativen Menschen und bietet jedem klugen Beobachter ausreichend Negativbeispiele für menschliche Kommunikation.
Es gibt doch wirklich wenige Konzessionen, die man machen muss, um das Internet zu mögen. :-)

Wie auch immer - am Besten kommt man klar, wenn man sich an der geistigen Armut und der Oberflächlichkeit nicht stört.

Wie gesagt, ein Paradies für Psychopathen, aber auch für Wissbegierige, Menschenfreunde, Zyniker und, ja klar, ein Anknüpfungsmodell erster Klasse für uns Kyniker :-)


riesenZWERG

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Montag, 24. November 2008
Kynismus

Bild: Diogenes aus Sinope/Diogenes in der Tonne


Bevor ich in der Folge kynische Texte bzw. kynische Satire bloggen werde, erkläre ich vorab dem geneigten Leser, was es denn mit diesem Kynismus auf sich hat.


Was genau ist also Kynismus ?

Nicht ganz einfach zu beschreiben, hab ich es hier
einmal versucht zusammenzustellen:

Ursprünglich wird der Kynismus als eine philosophische Richtung der griechischen Antike (5. Jhr. v. Chr.) eingestuft. Erst viel später griff man den Begriff des Zynismus auf.

Aufgrund der eher praktischen als philosophischen Orientierung der kynischen Lehre ist es die Aufgabe der Kyniker selbst, ihre auf die jeweiligen Gesellschaftsverhältnisse angepassten Kynismus ,zeitgemäß also, auszurichten und zu definieren um sich vom allgemeinen Zynismus abzugrenzen.
Die letzten in der Postmoderne übriggebliebenen Kyniker tun sich zugegeben schwer damit. Bedienen sie sich nämlich genauso wie Kulturpessimisten und Kulturoptimisten einem geschichtsphilosophischen bzw. soziohistorischen Determinismus.

Kyniker zählen zu den ersten Kulturkritikern, deren höchstes Ziel das bedürfnislose Glück ist, das auf innerer Unabhängigkeit und Autarkie beruht.
Dieses Ziel wurde insbesondere nach dem Peloponnesischen Krieg erklärt. Der in dieser Zeit aufkommenden Überdruss an der „verkommenen Gesellschaft“ war dafür ausschlaggebend.

Zweifellos prägte der Kynismus in den darauffolgenden Jahrhunderten unsere Kultur- und Philosophielandschaft mit, auch wenn die meisten kynischen Schriften verloren gingen.

Kyniker sind und waren von jeher etwas kauzige Sonderlinge, aber keineswegs hämische oder gar bösartige Menschen, die sich absichtlich über die Würde des anderen hinwegsetzen.

Kyniker sind genau wie Zyniker eher
Moralisten mit einem Hang zur Farce,
Komödianten mit melancholischen Neigungen.
Nicht eine Erleuchtung ist es oder eine Idee,
die sie motiviert, sondern der blanke Ekel.

Zugegeben, der schwarze Humor, den manche Kyniker an den Tag legen, ist eine Ausgeburt des Ekels; aber die bösartigen Ausfälle, die sie sich erlauben, sind nur eine Schutzmassnahme oder ein Ventil, um an dem Unmut nicht zu ersticken, den das Studium der Conditio humana (Bedingung des Menschseins) bereitet.
Genau darin -so muß ich gestehen- liegt auch meine Hauptmotivation.

Näher betrachtet sind Kyniker wie Zyniker also Spezialisten in Sachen Trivialität, Experten auf dem Gebiet des Profanen. Sie verstehen sich darauf, mit dem, was in einer Kultur als abgeschmackt, seicht und belanglos gilt, intelligent umzugehen, das heißt auf nichttriviale Art und Weise. Sie bieten das Triviale wider das Schöne, Wahre und Gute auf, konfundieren das Höchste mit dem Gemeinsten, zeigen ein ums andere Mal, dass es stets nur ein kleiner Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen ist.

Und wenn der Zynismus, wie Antisthenes sagte, «der kürzeste Weg zur Tugend» ist, dann ist das Triviale die Sphäre, über die er verläuft. Zyniker tragen keine Scheu, etwas Gemeines und vermeintlich Belangloses ins Feld zu führen, um die Autorität des Wissens oder der Macht zu erschüttern. «Seien Sie richtig gemein», so sagt z. B. Houellebecq in seinem Werk Elementarteilchen «dann sind sie wahr.»

Der Kynismus läuft oft in gleicher Manier ab, unterscheidet sich aber , wie gesagt in den Ursprüngen und dem grundlegenden und für sie erreichbaren Ziel der Glückseligkeit.

Zyniker sind dagegen meist hoffnungslose Kritiker, die häufig, ohne zu merken, ihre Niederlage in Form angepasstem Spott preisgeben, der sich aus dem
zweckdogmatischen Denken der Moderne ergibt!

Dies trifft so für den Kyniker nicht zu, denn seine grundsätzliche (relativ) materielle Bedürfnislosigkeit, die sich in Hinsicht auf seinen Geist bzw. seine ethisch-moralische Gesinnung auf eine analoge Bedingungslosigkeit stützt, verschafft ihm in kontroversen Situationen wie auch bei Analysen von Sachverhalten eine weitgehend unabhängige und ganzheitliche Beurteilungs- bzw. Argumentationsgrundlage.


riesenZWERG

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Donnerstag, 20. November 2008
Hauptursache : Konsumgesellschaft
Zitat:
Ist es nicht so, daß wir aus Dingen eine Mauer um uns errichten, eine hohe Mauer, um den Tod nicht zu sehen? ... Der Motor der Konsumgesellschaft ist nicht die Freude am Leben, sondern die Angst vor dem Tod.

Lotte Ingrisch (*1930), östr. Schriftstellerin


Gemeinhein argumentiert der Mainstream, allein ein kaltblütiger Kapitalismus und falsche Politik lenkten unsere Republik weg vom Sozialstaat und hin zur Entmündigung und zunehmenden Verarmung des Volkes.

Ganz typisch für den modernen Konsumenten dabei ist, dass man eben diese Meinung als Gegenmeinung zur Allgemeinheit versteht, obwohl man sich damit dem üblichen, stereotypen Tenor anschließt. Grundlage ihrer Argumentation ist allein ihr Konsum- bzw. Anspruchsdenken. Ich erkläre das .

Hat man es im Leben jedoch einmal geschafft, sich selbst am Schopfe aus seiner ideologischen, und in der persönlichen Situation und sozialen Herkunft begründeten Sichtweise herauszuziehen (Kästchendenken) und betrachtet man daraufhin objektiv die gesellschaftliche Situation von allen Seiten, so erkennt man erst seine einseitigen und zuvor lange für richtig und unumstößlich gehaltenen Ansichten, dass wir alle ja von da oben, ja von ein paar Männlein in Wirtschaft und Politk geführt und gelenkt werden.

Und ich frage:
Was wäre es doch für ein liederliches, schändliches Volk von 82 Mio Menschen , dass sich angeblich lenken ließe von ein paar inkompetenten Männlein da oben ?

Was wäre es doch für ein erbärmliches Volk, das zugeben müsste, dass es von ein paar wenigen Managern und Politikern an der Nase herumgeführt wird, und das obwohl es sich dessen doch schon länger bewußt ist ? (die Politikverdrossenheit und das kollektive Feindbild ''Arbeitgeber'' sind da nur zwei Anhaltspunkte dafür).

Leider sitzen jedoch die Meisten ein Leben lang in der gleichen Schublade und können daher auch nur aus einer Perspektive aus argumentieren.

Mühselig, hier im Blog aber die wirklich wesentlichen Ursachen für die scheinbar verfahrene gesellschaftliche mentale Situation kurz und prägnant verständlich zu machen.

Der Hauptgrund für die verdrehte Ursachen-Wirkungs-Abfolge in den Köpfen, liegt meines Erachtens in der kollektiven Verfahrensweise begründet, die Wirkung, welche eigene, selbst begangene Fehler zwangsläufig nach sich ziehen, stets der Wirtschaft und der Politik zuzuschreiben.

Es ist so : Man erhöht sein Anspruchsdenken, was meist materieller Natur ist, das erhöht in der Folge einen erhöhten Finanzbedarf, der, wenn er nicht erfüllt wird, einen aus dem Konsumdenken heraus konstruierten Mangel verursacht, den man dann einem zu geringem Lohn oder zu hohen Abgaben an den Staat zuschreibt.

Ein Beispiel anhand des mittlerweile exzessiven und zur Normalität gewordenen Konsumdenkens:

Aufgrund des in den letzten 20 Jahren stark angestiegenen Angebots an Waren und Dienstleistungen aller Art hat die Wirtschaft gar nicht auf die Jagd nach Kunden gehen müssen! Und bis heute strömen die Massen, etwa bei einer Neueröffnung eines Einkaufscenters wie von Sinnen in die Läden, stöbern euphorisch in den Regalen und packen oft ein, soviel sie tragen können.
Neulich konnte man solch ein Schauspiel exzessiver Konsumierung hier in Homburg bei der Tedox-Eröffnung schön beobachten! Aber das ist ja nicht nur bei Neueröffnungen so.

Freitags oder Samstags ist auf dem Parkplatz des Einkaufscenters oder des Baumarktes auch kaum noch ein Parkplatz frei. Ich frage mich dann immer, warum die Leute das alles brauchen, was sie da alles rausschleppen !?!
Gemeinhein fragt sich der moderne Konsument heutzutage aber nur noch was er braucht, wobei das insgeheim ein Wollen ist. Denn Vieles braucht er tatsächlich nicht. Er fragt sich aber nicht, warum und ob er es unbedingt braucht. Zu tief steckt er in der Konsumspirale.

Es sind die Lebensumstände, der gehobene Lebensstandard und das veränderte Anspruchsdenken, dass man an das Kollektiv, an diese Massenpsychose anpasste und das derartige Fragen überflüssig macht.

Ich halte nun überwiegend diese exzessive Entwicklung einer mittlerweile abartigen, perversen Konsumgesellschaft in Bezug auf die meisten sozialen Probleme in unserem Land für verantwortlich.
Denn hierbei gibt es keine Grenzen und demnach steigt analog der Kapitalbedarf des Einzelnen. Der Markt reagiert darauf nur und optimiert natürlich sein Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Folge ist, dass das Angebot immer weiter steigt, denn der Absatz ist durch das Konsumdenken der Bevölkerung gesichert.

Dabei ist es nun wichtig zu erkennen, dass weniger die Preissteigerungen für einen erhöhten Kapitalbedarf sorgen, als eher das mit dem gestiegenen Angebot, erhöhte Anspruchsdenken.

Man will die neuartige Ware nun unbedingt auch haben. Beispiele dafür finden sich Viele, etwa bei PC, Handy und neuerdings Flat-TV's. Der alte noch gute Fernseher wird einfach weggeworfen oder verschenkt. Ein neues flaches Ding muss ins Wohnzimmer.

Sich anpassen, mit den anderen mithalten, schlicht, konsumieren heißt das Programm der Masse !

Und so geht es mit allem !

Haufenweise unnötiges Zeug wird angeschafft, dass dann alljährlich wieder vor die Tür, zum Sperrmüll gestellt wird, weil man sich ja wieder Neues besorgen musste. Das Wörtchen ''Müssen'' ist dabei wesentlich. Ja, es ist eine konsumistische, fehlgeleitete Empfindung, die den Leuten Notwendigkeit vortäuscht. Dies ist ein ganz typisches Merkmal dieser Konsumgesellschaft.

Und genau dieser ''Ich muss haben-Typus'' und der damit einhergehende logische Mangel an Finanzen, erklärt uns auch meist schon die Situation.

Dieser Mangel an Finanzen zwingt in der Folge zu Ratenzahlungen für Dinge , die sie ihrer Meinung nach ebenfalls haben ''müssen'' . Schließlich erhöhen sich dadurch die monatlichen Kosten, wodurch es zunehmend schwieriger wird, die wirklich wichtigen Kosten wie Miete u.ä noch zu decken.

Die Lebenshaltungskosten für die wirklich notwendigen Dinge, die man zum Leben braucht (schafft der Normalkonsument es überhaupt noch diese von dem ganzen unnötigen Kram zu unterscheiden) machen bei den Meisten einen Bruchteil ihres Nettoeinkommens aus. Bei dieser Argumentation wird der moderne Konsument sofort fragend entgegnen, warum er sich denn der konsumistischen Abstinenz zuwenden solle !?!?

Alle konsumieren doch, alle !!!
Und alle täten dies doch nicht, wenn sie nicht ''müssten '' .

Also ''muss'' ich auch !


riesenZWERG

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Dienstag, 18. November 2008
Die 78er-Generation
Die 78er-Generation !?! Ein Begriff, den der Schriftsteller Reinhard Mohr 1992 erstmals verwendete, um Kritik zu üben und Analyse über seine eigene Generation, nämlich der in den 50er Jahren Geborenen, zu betreiben.


Auch der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx schrieb über diese Generation :

Aufstand im Schlaraffenland

In den 50er Jahren geboren, sind viele ihrer Mitglieder auf die große Suche nach dem anderen Leben gegangen - mit allen biographischen Konsequenzen.
Es ist die erste Generation in diesem Jahrhundert, die ohne Krieg aufwuchs. Als erste wagte sie auf breiter Front den Aufstand gegen die Eltern, wurde mit Drogenerfahrungen konfrontiert und lernte, mit einer »nichtreproduktiven« Sexualität umzugehen. Heute fühlt sie sich von den pragmatischen Kids, den 68er-Kindern, verachtet, vom »zweiten Boom« der Bundesrepublik überrollt und zwischen Karriere und politischer Konsequenz hin- und hergerissen."



Reinhard MOHR schrieb 1992 :

"Die 78er, die heute auf die vierzig zugehen, kamen zu spät zur Revolte der sechziger Jahre und standen dann, in den Achtzigern, vor den verschlossenen Türen der reformierten Gesellschaft, die sie gar nicht zu brauchen schien. Daß sie für eine gewisse Larmoyanz und die große philosophische Wehklage außergewöhnlich anfällig waren, hing mit ihrer sozialen Metaexistenz zusammen: Als Angehörige einer historisch »überflüssigen« Zwischengeneration fielen sie durch den imaginären Rost des Zeitgeistes. Anders als die »Alt-68er« und die postmodernen »Neonkids« haben die 78er keine politisch oder kulturell griffige Symbolik entwickelt, die sie auf Anhieb identifizierbar machte. Sie verfügten über kein Label, kein Erkennungszeichen".


"Wenn man sich für die Potentiale der Generation interessiert, die, wenn die Geschichte sie nicht einfach überspringt, die Republik ins neue Jahrtausend führen wird, muß man mehr leisten als die Kritik des Futons am Hochbett. Keine angemessene Würdigung finden bei Mohr zwei ''Sieger'' der 78er, die die Gesellschaft heute teuer zu stehen kommen:


Zum einen der Triumph der Abzockermentalität. (...). Sie waren die erste Generation, die aufgrund virulenter Staatsfeindlichkeit keine Hemmungen beim Abzocken des sozialliberal expandierenden Wohlfahrtsstaates hatte (...). Sie lassen sich vom Staat alimentieren und bilden die zähe Masse bei vielen Alternativprojekten, von der taz bis zu den Grünen. (...).

Zum anderen das Singletum. Die 78er sind die ersten, bei denen das »strukturell« verschwenderische Singleleben massenweise von der Lebensphase zur Lebensform wurde. Die Hälfte der Haushalte in den Großstädten sind Single-Haushalte. Der gesellschaftlich prägendste Teil davon sind die 78er. Sie üben - sozial und räumlich flexibel, wie sie sind - einen enormen Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt aus und fühlen sich dabei immer als potentielle Opfer.

Bernd ULRICH
Autor von ''Generation ohne Grenzerfahrung ''



Tja, scheint es wohl nicht nur klug sondern notwendig, dass sich die Allgemeinheit endlich mit dieser Generation intensiv beschäftigt.

Die ersten Analysen über diese Generation sind schon veraltet bzw. vergessen, bevor sie, wenn überhaupt, in die öffentliche Diskussion gelangen....

Und an dieser Stelle muss man wieder einmal dem Maxim Biller zustimmen, der behauptet, dass es überhaupt keine Literaturkritik in Deutschland gäbe, die derartige Ausarbeitungen schafft und sie in die öffentliche Diskussion bringt.


Meine Behauptung : Vorallem weil zur Zeit die Vertreter der 78er Generation das gesellschaftliche Ruder in der Hand halten, neigen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder einmal zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rückschritt bzw. Zivilisationsbruch.


riesenZWERG
( Ein Neon-Kid? )

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Sonntag, 16. November 2008
Die Tragik der Allmende

Bild: Adolph von Menzel, „Das Eisenwalzwerk“ (1872/75). Die soziale Katastrophe, die die Industrialisierung für die Lohnarbeiter bedeutete


Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen."


Ludwig von Mises



Nun gut Ludwig, sind wir einmal tolerant !

Okay, eine unverbesserliche sozialistische Ideologie ist ja, genau wie ein ausgeprägter sozialer Gemeinschaftssinn, nicht unbedingt das Allerschlimmste !

Schließlich spricht das grundsätzlich ja für Menschlichkeit, für den Willen zum Miteinander und für das Bestreben, die Allgemeinheit voranbringen zu wollen!

Andererseits, bei nicht wenigen Zeitgenossen, die sich in diesen Tagen vehement gegen jegliche Privatisierungen von Unternehmen stellen, hat man doch immer wieder das Gefühl, als kannten sie doch tatsächlich nicht die Tragik der Allmende !?!

Wie sonst erklärt sich ihr immer wieder vorgetragener Trugschluß : Was ALLE brauchen muss auch ALLEN gehören ?

Sollten ihnen tatsächlich nicht die zerstörerischen kybernetischen Rückkoppelungsmechanismen, insbesondere aufgrund suboptimaler Nutzung eines zum kollektiven Besitz erklärten Gutes bekannt sein ?

Und ich frage weiter :

Kann dadurch weiterhin angenommen werden, dass diesen Leuten in Bezug auf soziale Systeme, wohl auch nicht der sogenannte Ringelmann-Effekt mit den damit einhergehenden fatalen Folgen für die Solidargemeinschaft bekannt ist ?

Nehmen wir einmal an, es gäbe tatsächlich in unserer Republik eine Masse von Leuten, die in diesen doch für unsere Volkswirtschaft so wichtigen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen mit völliger Unkenntnis gestraft sind und sie zudem etliche historische Unglücksmodelle, die dies anschaulich belegen, ausblenden .

Nun, bei dieser Annahme erkläre sich jedenfalls nicht nur einiges an dummem egoistischem Geschwafel,sondern es gibt einem sofort zu verstehen, warum man im Allgemeinen soziale Herausforderungen nicht als multikriterielle Probleme versteht und sie daher auch nicht einer Pareto-Optimierung unterzieht !
Ja tatsächlich, die Frage über die beharrliche Ignoranz der Problemlösung über eine in diesem Fall üblicherweise anzuwendende Ressourcenallokation beantwortet sich ganz von selbst !

Dennoch weigere ich mich zu glauben, dass vorallem die redeführenden Gegner von Privatisierungen dies alles nicht kennen.
Was die Schlußfolgerung zulässt, dass hier bewußt Massen, entgegen wissenschaftlicher Fakten, vorallem aber entgegen jeglicher Vernunft manipuliert werden.


riesenZWERG

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Samstag, 15. November 2008
Gedanken zur ''Philosophie des Elends''

Bild: Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865)




Karl Marx : ''Elend der Philosophie''

Schlußsatz des Werkes :

Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein. Bis dahin wird am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft stets lauten:


"Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist
die Frage unerbittlich gestellt."
George Sand



'' Erst Frieden, Abrüstung, Deutsche Einheit , heile Welt und dann auf einmal : Aus der Traum ! ''

So hörte ich schon in den Neunzigern jemanden sagen !

Und heute ?

Bildungsmisere, Kulturverfall, Sitten- und Moralverfall, Aufstände, Verstärkung der inneren Sicherheit,soziale Unruhen, Klassenkampf, Finanzkrise, drohender wirtschaftl. Niedergang, Rezession etc.

Dies alles sind für viele Soziologen und Gesellschaftskritiker - und ich stimme ihnen zu - nicht mehr als ''sich zu erfüllende, ja heraufbeschwörte Selbstprophezeiungen'' aus der selbstgeschaffenen Klassenideologie des postmodernen Bürgertums einerseits und der kapitalistischen Gesinnung und Gier andererseits ?

Die volksseitigen ideologischen Antriebe und Ur-Motive finden sich jedenfalls essentiell und glasklar in Schriften von Marx , Engels (u.a.) wieder.
Der direkte Gegenpol zu Marx war seinerzeit Pierre-Joseph Proudhon mit seiner "Philosophie des Elends" der jedoch stets die soziale Verantwortbarkeit von evtl. global ausgeweiteten Kapital- und Finanzsystemen in Frage stellte. Und das erstaunlicherweise bereits im Jahre 1846 !

Bis zur französischen Revolution möchte ich gar nicht zurückgehen, da meiner Meinung nach das Volk des Feudalsystems nicht mit der Gesellschaft, so wie sie sich seit der industriellen Revolution darstellt, vergleichbar ist. Das Wort ''Bürgertum'' und seine Bedeutung hat sich seitdem zu stark gewandelt !

Viele sehen das anders ! Nachvollziehbar argumentieren können sie aber nur, wenn sie den heutigen soziokulturellen Einfluß des Bürgertums auf Politik und Wirtschaft komplett ausblenden oder wie schon öfters von mir angeführt, die Ursache-Wirkungs-Relation in dieser Hinsicht umdrehen !
Nicht zuletzt tun sie das, um das kleine Männchen im Hinterkopf namens ''Eigenverantwortung'' zum Schweigen zu bringen .
Dazu kann man stehen wie man will ! Mir ist es mittlerweile egal , wenn dieses Wort zum neoliberalen Schlagwort rubriziert wird. Was damit gemeint ist, leuchtet jedem, der sein eigenes Schicksal ungern in fremde Hände legt, ein.

Egal ! Wesentlich jedenfalls ist -bedauerlicherweise-, dass es ein gemeinsames Anstreben einer Gesellschaft ohne Klassen und Klassengegensätze bis heute nie gegeben hat .
Von keiner Seite ! Im Gegenteil ! Liest man z. B. Marx, so bemerkt man die unterschwellige Aufforderung zur Revolution, zur bedingungslosen Vernichtung der Gegenseite.

Eine mögliche Variante einer Symbiose zwischen den Interessengruppen sah er meiner Meinung nach nicht ! Und auch die ''Kritik der politischen Ökonomie'' von Engels hätte man eher als Lösungsvorschlag etablieren können, fänden sich darin mehr ''Kompromisse '', mehr Ansätze zum interdisziplinären Miteinander !
Stets wurde stur seinen selbstformulierten Theorien Rechnung getragen, auch damit man die oft selbstgeschaffenen Determinanten seiner Thesen nicht hinterher über den Haufen werfen musste......

Es war und ist bis heute den Meisten wichtiger, Ihrer Ideologie stets treu zu bleiben, anstatt die Menschen anhand der Ideologien zu vereinen.

Das Resultat : Nach wie vor bleibt es bei dem '' Alles in Frage stellenden '' ideologischen Stellungskrieg!

Und genau aus diesem Grunde bewahrheitet sich periodisch das Zitat von dieser George Sand, ganz gleich auf welcher Seite sie stand........


riesenZWERG

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Freitag, 14. November 2008
Das Denunziantentum
Der anthroposophische Ansatz in Bezug auf das Denunziantentum der Postmoderne, scheint mir bisweilen doch noch der Treffendste zu sein .

Daher erlaube auch ich mir einmal die C&P-Methode anzuwenden.
Denn bemerkenswerte Ausführungen - die mal ganz anders als die üblichen einseitigen Propagandaphrasen, aus einer unabhängigen, freidenkerischen Position heraus entstehen - verdienen es immer, wiederholt zu werden.

Im Folgenden also ein Text aus anthroposophy.com :


Der Rassismus stellt ohne Zweifel eine der großen Katastrophen der neueren Geschichte dar. Als Rassenantisemitismus mündete er im ultimativen Verbrechen des nationalsozialistischen Genozids. Die moralische Verwerflichkeit dieses Verbrechens und seine geschichtliche Einzigartigkeit kann von keinem vernünftigen Menschen bestritten werden.

So wie die andere reduktionistische Ideologie des 19. Jahrhunderts, die Ideologie des Klassenkampfs, führte die Ideologie des Rassenkampfs zu einer Entfesselung von Gewalt und einer Dehumanisierung in nie dagewesenem Ausmaß. Der Rassismus identifizierte Individuen mit einem biologischen Typus und reduzierte sie auf diesen. Nicht durch ihr Tun, sondern durch ihr Sein sollten sie bestimmt sein. Der angeblichen Determination durch den Rassentypus konnte niemand entrinnen. Der Kommunismus in seinen verschiedenen Formen identifizierte die Individuen mit ihrer Klasse und hielt die angebliche Determination durch diese Gruppenzugehörigkeit für ebenso unentrinnbar. Die totalitären Großideologien führten bei den Versuchen ihrer gesellschaftlichen, politischen Umsetzung nicht nur zu zwei Weltkriegen, sondern auch zu binnenstaatlichen Katastrophen nie dagewesenen Ausmaßes.

Im Horizont der biologististischen und soziologistischen Programme blieb kein Raum für das Individuum, kein Raum für die Andersartigkeit, kein Raum für Freiheit. Das war der Grund, warum sowohl in kommunistischen Staaten als auch im nationalsozialistischen Regime die Anthroposophie verboten war. Die Anthroposophie widerstreitet der Reduktion des Menschen auf biologische Merkmalsgefüge ebenso, wie seiner Reduktion auf gesellschaftlich definierte Kategorien. Sie sieht das Wesen des Menschen in seiner einzigartigen, unaustauschbaren geistigen Individualität, die sie jedem Angehörigen der Gattung zuspricht, ohne Ausnahme und Abstriche. Sie leugnet weder das Vorhandensein eine biologischen Natur noch die Existenz gesellschaftlicher Verhältnisse, in die das einzelne Individuum eingebettet ist. Sie bestreitet jedoch die Reduzierbarkeit des Menschen auf sie oder dessen Ableitbarkeit aus ihnen. Der einzelne Mensch ist aufgerufen, seinen biologischen und seinen gesellschaftlichen Leib (die Gesamtheit der naturhaften und sozialen Gegebenheiten) zu Ausdrucksmitteln seiner Freiheit zu erheben.

Die Anthroposophie will den Menschen zu sich selbst befreien, indem sie auf den unreduzierbaren Quell einer schöpferischen Kreativität verweist, den jeder in sich trägt. Der Mensch ist nicht mit einem Bild identifizierbar, das andere sich von ihm machen, er ist immer mehr als das. Was er ist, kann er letztlich immer nur durch sich selbst explizieren. Diese Selbstexplikation setzt einen Raum der gesellschaftlichen Freiheit voraus, in dem diese zugelassen wird. Für die Anthroposophie ist unvorstellbar, einem Menschen das Menschsein abzusprechen, nur weil er nicht einer Vorstellung oder einem Bild des Menschen entspricht, das sich jemand anderes von ihm macht. Das bedingungslose Plädoyer für Freiheit und Selbstbestimmung, das sich aus der Einsicht ergibt, dass jeder Mensch einen göttlichen Wesens- und Würdekern in sich trägt, lässt prinzipiell keine Verdächtigungen zu. Was der andere ist oder was er will, kann nur er selbst sagen.

Anders die Inquisitoren, die Verdächtiger und Jäger nach ideologischen Abweichlern. Sie unterstellen dem anderen Ansichten, die er nicht hat, sie wollen nicht auf die sich selbst explizierende Individualität hören, sie sind nur daran interessiert, andere als Projektionsfläche für die Rituale ihrer Selbstvergewisserung zu missbrauchen. Vorstellung ersetzt Wahrnehmung, Behauptung das Verstehen, Verurteilung die Würdigung des Fremden, des Einzigartigen. Die rassistoiden Antirassisten, die faschistoiden Antifaschisten, die sektiererischen Sektenjäger, sie alle missbrauchen andere Menschen lediglich als Objekte ihrer ideologischen Selbstrechtfertigung. Sie wollen das »gute« Menschsein monopolisieren, indem sie sich zu dessen allein legitimen Verteidigern erklären, sie beanspruchen eine Definitionsmacht über die andere Individualität, die totalitär ist. Sie sind in ihrer Neigung zur Diffamierung, zur Ausgrenzung, zur Stigmatisierung und Verfemung Andersdenkender nicht weniger militant als das von ihnen imaginierte Double. Sie reden in einem fort, aber wer hört ihnen zu, ausser sie selbst?

Kann man mit ihnen reden? Kann man sie eines Besseren belehren? Kann man hoffen, sie auf das hinzuweisen, was zu sehen ist, was zu hören ist, wenn man nur sehen oder hören will? Ich fürchte nicht. Sie haben keinerlei Interesse am wirklichen Sehen und Hören. Für jeden aber, der sehen und hören, der verstehen will, denunziert sich der Denunziant selbst. Seine eifernde Anpreisung vorgeblicher Wahrheiten, seine repetitive Artikulation, seine monothematische Deklamation klären uns über ihn auf. Die Wahrheit ist jedem zugänglich, der sie wirklich finden will. Voraussetzung ist, dass wir unser Auge den Menschen zuwenden, dass wir einen emotionslosen Blick, ein unverstelltes Hören üben. Das Wunder der Begegnung ereignet sich nicht im Getöse ideologischer Beschuldigungen, Verdächtigungen und Unterstellungen, sondern in der Stille.

Lorenzo Ravagli

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